immer noch kämpfen.... NACH ALL DIESEN JAHREN

Ein Blog von Willie Smits, Juni 2021

 

 

Das war das Bild, das sich mir nach dem Aufwachen in der Samboja Lestari EcoLodge bot. Der Gesang von so vielen verschiedenen Vögeln, gemischt mit dem Zirpen der Zikaden, das die Oberhand hatte. 

Und dann der Ruf von einigen großen Orangutan Männchen, der aus dem Nebel klang, unter dem die Inseln darauf warten, dass die Sonne ihn vertreibt und ihre Körper wärmt für einen neuen Tag. Wenn man aufmerksam zuhört, kann man sogar das Geräusch von fließendem Wasser hören, das aus dem Tal zwischen tausenden von Bäumen herauf strömt. 

Es ist kaum zu glauben, dass diese Landschaft hier vor 15 Jahren noch völlig frei von Tieren und Bäumen war. Es gab nur gelbe Graslandschaft, die übrigblieb nach menschlichem Einfluss auf den Regenwald, gefolgt von wiederholten Bränden, die alle Biodiversität auslöschten.

 

Samboja Lestari beweist, dass man etwas ändern kann. Wir können der Natur helfen, sich zu erholen. Viele der Orangutans, die hier den Wald durchstreifen nach deren Rettung und Rehabilitation leben nun wieder im Regenwald und bekommen Nachwuchs. Die Babies haben keinen Schimmer von den Torturen, die ihre Eltern durchmachen mussten. 

Seit diesem Tag im Oktober 1989, als ich in die Augen eines Orangutanbabies schaute auf dem Markt in Balikpapan, ist viel geschehen. 

1991 gründete ich BOS, die größte Orangutan Rettungsorganisation, nachdem ich die ersten drei Jahre hier hauptsächlich Kindern geholfen hatte.

Meinen Kaffee auf der Terrasse in der Ecolodge genießend denke ich an die drei Jahrzehnte zurück und was seitdem alles passiert ist. 

Ich denke an die Natur und wie sie sich selbst helfen kann, an uns, die wir von der Natur so viel lernen können und natürlich auch daran, welche Antworten wir den Orangutans geben können, die uns viele Fragen stellen würden, wenn sie könnten.

 

Die sogenannten „Cheekpadders“ rufen... das sind die ausgewachsenen Männchen mit den großen Backen, deren Hormone durch ihr Blut fließt und die sie nicht nur äußerlich stark verändern. Sie wollen ihre Freiheit. Und jeder von ihnen hat seine eigene Persönlichkeit. Viele von ihnen jedoch sind immer noch sehr unglücklich – so wie wir es wären, wenn wir auf kleinstem Raum eingesperrt wären.

Wenn wir uns ihnen nähern, dann demonstrieren sie ihre Stärke. Sie werfen mit Dingen, die sie finden können nach uns oder rütteln so stark an ihren Käfigen, dass man glauben kann, sie zerstören diesen mit einer Hand. 

Diese Männchen können sehr gefährlich werden für uns Menschen. Es braucht bestimmte Menschen, die sich ihnen nähern dürfen, die sich zu ihnen setzen und sich mit ihnen unterhalten dürfen. 

Zwei sehr gute Freunde von mir, Odom Kisar und Leo Hulsker, sind solche Menschen.

 

Heute Morgen hatte ich die Ehre, mich zu einem dieser Geschöpfe zu setzen. Er war erst am Vortrag durch das Forstministerium hier her gebracht worden, weil er durch ein nahegelegenes Dorf wanderte. Physisch scheint er in gutem Zustand zu sein und wir wissen nicht, warum er den Wald verlassen hat.

Er muss einer von den über 100 Orangutans sein, die ich vor knapp 20 Jahren am Fuße des Meratus Waldstücks freigelassen hatte.Das sind etwa 86km Luftlinie und wenn man die Korridore mitzählt, dann muss er ungefähr 100km gewandert sein. 

Er hat einen Chip, aber wir konnten noch nicht feststellen, wer er ist. Seine Fingerabdrücke werden zu meinem pensionierten Freund Jan Geerdink geschickt, der alle Abdrücke von geretteten Orangutans in eine Datei gespeichert hatte.

 

Nach ein paar Minuten setzte sich dieser wunderschöne Orangutan an die andere Seite der Gitterstäbe und bat mich, ihm den Kopf zu kratzen und seine Lippen und seine Backen zu tätscheln.

Er muss sich an mich erinnern. Ich weiß, dass diese Tiere das können. Vielleicht sogar besser als wir. Ich hatte so ein großartiges Glücksgefühl in mir, das vom Hals hinunter in die Bauchgegend ging. Aber zu gleicher Zeit kam mir Unbehagen hoch, weil ich mich fragte, warum dieses Tier nun wieder hinter Gittern sitzen muss.

Als ich Samboja Lestari gründete, war es meine Intention zu zeigen, dass selbst aus der schlechtesten Situation heraus etwas Gutes entstehen kann, man Dinge reparieren kann und man die Hoffnung niemals aufgeben darf. Aber in Zeiten von Internetverbindungen, in Zeiten, wo man permanent mit schlechten news konfrontiert ist, fällt es immer schwerer, sich die Hoffnung zu bewahren. Die Bäume sind zurück hier in dieser Gegend, aber es gibt ein weiteres Projekt – ein Areal zu schaffen für die Großen der roten Waldmenschen, wo sie ungestört leben können.

Dieses Projekt konnte noch nicht voranschreiten und ich bin mir nicht mehr sicher, ob Samboja der geeignete Platz dafür ist. Ich gründete diesen Himmel auf Erden. Aber die Gier ist stets bereit wieder Überhand zu gewinnen. Deshalb der Titel dieser Geschichte....

Lasst es mich erklären:

Jahre zuvor startete der Boom Kohle zu gewinnen. So konnte Samboja nicht expandieren. Das viele Geld, das den Grundeigentümern angeboten wurde von reichen Investoren, konnten oder wollten die Menschen hier nicht abschlagen. Die Kohle liegt jedoch auch unter der Samboja Lestari Logde. 

Dann bildeten sich Gruppen von Menschen, die in ihrer Gier Land rund um Samboja kauften, um dort Kohle zu gewinnen.

Das führte zu immensem Verlust von unserem gepflanzten Wald rund um die Lodge. Dann wurde eine Straße gebaut, die entlang unserer Grundgrenze verläuft von Balikpapan nach Samarinda, was die Grundstücke hier noch wertvoller macht für Investoren.

So kamen weitere korrupte Menschen auf die Idee, noch mehr Land illegal zu beanspruchen. Und sie brennen erneut Felder ab, um kurzlebige Landwirtschaft zu betreiben und der Prozess von Entwaldung beginnt von Neuem. 

Ich hoffe so sehr, dass wir rechtliche Unterstützung bei BOS bekommen werden, und Samboja Lestari weiterhin den Orangutans und den Sonnenbären gehören darf.

 

Unter den derzeitigen Umständen fürchte ich, dass es nicht möglich sein wird, eine passende Lösung zu finden, um die vielen Orangutans sicher unterzubringen. 

Aber wo sollen sie hin? Die vielen Tiere mit TBC, mit abgeschlagenen Armen, erblindet und denen, die mich von dort unten aus dem Nebel rufen?

Ich gebe nicht auf und wir arbeiten bereits an einem passenden Waldstück für sie.

Aber darüber später mehr. 

 

Es gibt noch so viel zu tun. Aber erst einmal lasse ich meine Batterien von dem Sonnenaufgang, dem Ausblick in den Regenwald und seinen Gesängen wieder aufladen. 

Willie Smits, Juni 2021

Das Gebiet bevor Samboja Lestari gegründet wurde....

.... und heute.....

®copyright alle Bilder und Text: Dr. Willie Smits, Masarang HK
Den Originaltext können Sie hier nachlesen.